Nachhaltigkeit und das gute Leben – Eine philosophische Annäherung

In einer Zeit, in der der Begriff „Sustainability“ allgegenwärtig ist, lohnt es sich, seine tiefere Bedeutung zu reflektieren und ihn in einen größeren, philosophischen Zusammenhang zu stellen. Wie hängt die Idee der Nachhaltigkeit mit der klassischen Philosophie des „guten Lebens“ zusammen? Und welche Einsichten liefert uns die Etymologie des Begriffs „Sustainability“?

Etymologie und Wortbedeutung von „Sustainability“

Der englische Begriff „Sustainability“ leitet sich vom lateinischen Verb „sustinere“ ab, das sich aus den Teilen „sub“ („unter“) und „tenere“ („halten“, „tragen“) zusammensetzt. Wörtlich bedeutet „sustinere“ also „unterstützen“, „aufrechterhalten“ oder „durchtragen“. Diese Bedeutung verweist auf Stabilität, Dauerhaftigkeit und die Verantwortung, etwas über Zeit hinweg zu bewahren.

Im modernen Kontext hat sich „Sustainability“ zu einem Schlüsselbegriff entwickelt, der in den Bereichen Ökologie, Wirtschaft und Soziales verwendet wird. Der Kern bleibt jedoch unverändert: Es geht darum, Ressourcen und Systeme so zu gestalten, dass sie langfristig Bestand haben und künftigen Generationen dienen können.

Das gute Leben – ein zeitloses Ideal

Das Konzept des „guten Lebens“ hat eine lange Tradition in der Philosophie. Schon Aristoteles fragte in seiner „Nikomachischen Ethik“ nach der eudaimonia – dem Zustand des Glücks oder der Erfüllung, der durch tugendhaftes Handeln erreicht wird. Für Aristoteles war das gute Leben ein Leben im Einklang mit der Vernunft und den ethischen Tugenden, in Gemeinschaft mit anderen und im Bewusstsein der eigenen Verantwortung.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde das gute Leben immer wieder neu interpretiert. In der modernen Philosophie findet sich das Ideal etwa in der Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls oder in Martha Nussbaums Capabilities Approach, der die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Einzelnen betont.

Nachhaltigkeit als Voraussetzung des guten Lebens

Wie lassen sich diese beiden Ideen – Sustainability und das gute Leben – miteinander verbinden? Zunächst einmal wird deutlich, dass Nachhaltigkeit eine grundlegende Bedingung für das gute Leben ist. Ohne eine stabile Umwelt, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Sicherheit können Individuen und Gemeinschaften nicht dauerhaft ein gutes Leben führen.

Die Etymologie von „Sustainability“ erinnert uns daran, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Zustand, sondern ein aktiver Prozess des „Tragens“ und „Unterstützens“ ist. Sie erfordert Bewusstheit, Verantwortung und die Bereitschaft, eigene Interessen zugunsten des größeren Ganzen zurückzustellen – Tugenden, die in der Philosophie des guten Lebens eine zentrale Rolle spielen.

Perspektiven für die Zukunft

Wenn wir über Nachhaltigkeit nachdenken, sollten wir uns immer auch fragen, welche Art von Leben wir für uns selbst und für andere ermöglichen wollen. Die Philosophie des guten Lebens bietet hier wertvolle Orientierung: Es geht nicht nur um die Bewahrung von Ressourcen, sondern auch um die Schaffung von Bedingungen, unter denen Menschen wachsen können.

Nachhaltigkeit bedeutet also mehr, als nur die Umwelt zu schützen. Sie ist ein Aufruf, das Leben in seiner Gesamtheit zu betrachten – als ein Netz von Beziehungen, das auf gegenseitigem Respekt, Fürsorge und Verantwortung beruht. Indem wir Nachhaltigkeit als Bestandteil des guten Lebens begreifen, können wir nicht nur unsere Welt bewahren, sondern auch neue Wege finden, sie zukunftsfähig zu gestalten. Nachhaltigkeit und das gute Leben sind somit untrennbar miteinander verbunden.

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